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200 Jahre deutsche Einwanderung in Brasilien
6.8.2024
Voll besetzt ist die Evangelische Kirche in Erndtebrück am 25. Juli. Stühle müssen nachgestellt werden, damit rund 200 Zuhörende einen Sitzplatz finden. Jaime Jung, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinden Erndtebrück und Birkelbach, lud zu dem Vortrag ein, der die Auswanderung von Deutschen nach Brasilien in den Blick nimmt – in Wort und Bild. Das Datum des Vortrages wählte Jaime Jung nicht zufällig. Genau vor 200 Jahren, am 25. Juli 1824, kamen die ersten deutschen Auswanderer in Rio Grande do Sul in Südbrasilien an. „In Brasilien wird dieser Tag groß gefeiert, als ,Tag der deutschen Einwanderung‘“, erklärt der Pfarrer aus Wittgenstein, der gebürtig aus Brasilien kommt und deutsche Vorfahren hat. Mehr als 300.000 Deutsche wanderten in der Zeit von 1824 bis etwa 1950 nach Brasilien aus, vor allem in den Süden des Landes. In seinem Vortrag referiert Jaime Jung über die Geschichte der Auswanderer und über seine persönliche. Er zeigt Bilder der Auswanderungen und Fotos aus seinem Leben in Brasilien. Der Vortrag zum Jubiläum sei für ihn ein Andenken, auch an seine eigene Familie, sagt Jaime Jung.
Dem Gemeindepfarrer ist es ein Anliegen, darauf aufmerksam zu machen, dass auch Deutschland eine Auswanderungsgeschichte hat. „Auch Deutsche mussten ihre Heimat verlassen.“ Die Beweggründe seien unterschiedlich gewesen. „Es war der Anfang der Industrialisierung. Es wurden spezialisierte Arbeiter gesucht“, erläutert Jaime Jung. „Es war eine Sache des Überlebens.“ Die Familien seien groß gewesen, die Ländereien oft klein. „Missernten und Perspektivlosigkeit hatten sie dazu gebracht, die weite Reise auf sich zu nehmen. Zugleich suchte Brasilien vor allem für den Süden des Landes neue Siedler“, erklärt der Theologe. Auch Menschen, die mit der politischen Lage in Deutschland unzufrieden gewesen seien, hätten das Land verlassen. Viele der Auswanderer kamen aus Ost- und Süddeutschland, eine große Anzahl aus dem Hunsrück.
Heute leben rund 8 Millionen Menschen in Brasilien, die deutsche Vorfahren haben. Sie brachten ihre Kultur, ihre Sprache und auch ihren evangelischen Glauben mit in das Land, das bis dahin vor allem katholisch geprägt war. Deutsch ist heute die zweithäufigste Muttersprache des Landes. In der brasilianischen Stadt Blumenau werde jährlich ein Oktoberfest gefeiert, das zweitgrößte auf der Welt, berichtet Jaime Jung.
Er gehört der fünften Generation der deutschen Auswanderer an. 2018 ist er nach Deutschland gekommen und arbeitet seitdem in Wittgenstein als Gemeindepfarrer. Schon als Kind hatte er viel über das Land seiner Vorfahren gehört. Es klang für ihn wie ein „Traumland“. Neben Portugiesisch wurde bei ihm zu Hause viel Deutsch gesprochen. „Das erweckte in mir auch die Sehnsucht, mich hier in Deutschland mal auf Entdeckungstour zu machen.“ Er lernte Hochdeutsch und während seines Theologiestudiums bekam er 2002 die Möglichkeit, für ein Jahr als Austauschstudent in Süddeutschland zu leben. Es gefiel ihm und nachdem er sein Studium beendet hatte, kam er nach Deutschland für ein Masterstudium. Sechs Jahre arbeitete er danach als Gemeindepfarrer in der Großstadt Novo Hamburgo (Neu-Hamburg) in Brasilien. Im Rahmen seines Vortrages gibt er einen Einblick, wie der Glaube dort gelebt wird. Jaime Jung beschreibt das Gemeindeleben dort als etwas bunter und lebendiger. „Ich versuche immer neue Ideen aus Brasilien miteinzubringen“, sagt er mit Blick auf seine Arbeit hier in der Region. Man könne immer noch viel voneinander lernen. Früher seien hunderte Pfarrer aus Deutschland nach Brasilien gegangen – er sei den umgekehrten Weg gegangen.
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